Journaling* ist für uns Coachs und psychosoziale Beraterinnen und Berater ein unschätzbares Werkzeug, für mehr Klarheit, für ehrliche Selbstreflexion, für den Schutz unserer seelischen Gesundheit und für unsere fachliche Weiterentwicklung.
Für mich ist es weit mehr als ein Notizbuch und ein Stift. Wenn ich mein Buch fürs Journaling aufschlage, komme ich wie in einen persönlichen Denkraum hinein. Durchs Aufschreiben können meine Gedanken und Ideen landen, bekommen Gefühle einen Namen, kann ich über Erfahrungen reflektieren und sie sortieren. Dadurch kann ich vieles besser verarbeiten, klären und Ideen entwickeln.
*Journaling hat viele Formen, genauso wie Tagebuchschreiben und Bulletjournals auch. In diesem Blogartikel fasse ich diese unterschiedlichen Arten zusammen; es geht mir um das schriftliche Festhalten und Reflektieren von Gedanken. Mehr zum Thema Journaling findest du hier im Artikel meiner Blogkollegin Claudia.
Fast täglich kannst du mich mit meinem Notizbuch antreffen. Es begleitet mich fast überall hin. Neulich habe ich mir gerade wieder eine neue Kugelschreibermine gekauft. Mit der alten habe ich hunderte Meter geschrieben. Für wie viele Seiten Journaling die neue reicht, weiss ich nicht, aber es ist eine ganze Menge und mein Stapel an gefüllten Notizbüchern zeigt mir, welche grosse Bedeutung Journaling für meinen Alltag hat.
In diesem Artikel habe ich über 20 Gründe zusammengetragen, warum Journaling in unserer Arbeit als Coachs und psychosoziale Beraterinnen und Berater so wertvoll ist. Dabei habe ich sie nach Themenfeldern geordnet, die für uns Beratungsfachpersonen besonders relevant sind.

Als Coach, Supervisorin und psychosoziale Beraterin gehört Journaling zu meinem Alltag.
Journaling ist ideal für deine Selbstreflexion und persönliche Entwicklung
Journaling ist ein machtvolles Werkzeug, um uns selbst besser zu verstehen. Wir Menschen haben eine einzigartige Fähigkeit, denn wir können aus einer inneren Distanz heraus über uns, unsere Emotionen und Gefühle, unsere Gedanken und unser Verhalten nachdenken. Daraus können wir wertvolle Erkenntnisse für unseren Alltag gewinnen.
- Journaling hilft dir, deine Gedanken zu sortieren, zu strukturieren und Ordnung in dein Gedankenchaos zu bringen. Du kannst all die vielen Gedanken, die im Kopf herumschwirren, einfangen, sortieren. Das schafft Ordnung im Kopf. Es hilft dir, innere Sicherheit zu gewinnen.
- Es hilft dir, Klarheit über deine Prioritäten zu gewinnen: Du kannst deine Daily Big 3, deine drei wichtigsten Prioritäten für den Tag bewusst wählen und bestimmen. Dann erkennst du, was für dich wirklich zählt und woran du dich orientieren willst.
- Journaling ist ideal, um dir deiner inneren Haltung und deiner Gefühle bewusst zu werden. Indem du deinen Blick nach innen richtest, erkennst du, was du wirklich denkst, fühlst, welche Werte dir wichtig sind. Dadurch lernst du dich selbst besser kennen.
- Es hilft dir, Denkmuster und Überzeugungen zu erkennen und auch mal zu hinterfragen. Du findest heraus, was dich leitet oder blockiert.
- Du kommst deinen eigenen Themen und Baustellen auf die Spur und findest dadurch besser heraus, wie du damit umgehen kannst. Das gibt deiner Persönlichkeitsentwicklung Schub.
- Mit Journaling stärkst du deine emotionale Kompetenz. Du entwickelst ein feineres Gespür für deine Emotionen und erkennst, welche dich bewegen und wie sie dich beeinflussen. Du erkennst, wenn du neidisch bist oder dich überfordert fühlst.
- Damit erhöhst du deine Lebenszufriedenheit. Indem du festhältst, was dir Freude macht und wofür du dankbar bist, lernst du, Gutes wertzuschätzen und das macht dich erwiesenermassen zufriedener.
Journaling ist hilfreich für deine Psychohygiene
Unser Beruf fordert viel emotionale Präsenz und Mitgefühl. Journaling ist eine wirksame Methode, um deine seelische Gesundheit zu pflegen und dich selbst gut zu regulieren.
- Journaling entlastet und hilft, loszulassen. Es ist eine Form von Psychohygiene, wie ein Entgiftungsprogramm für deine Psyche. Es hilft dir, zu verarbeiten, Gedankenmüll loszuwerden und dich auf das Wesentliche zu fokussieren. Denn sobald etwas aufgeschrieben ist, verliert es oft an diffuser Macht.
- Journaling hilft dir, mit deinen Gedanken ganz im Moment, ganz da, ganz im Hier und Jetzt anzukommen. Das hilft dir, dich auf etwas zu fokussieren und nicht ständig abzuschweifen. Indem du beschreibst, was dich beschäftigt, kannst du es besser klären, denn beim Schreiben bist du gezwungen, etwas klar zu benennen.
- Durchs Schreiben stärkst du deine Impathie (ja, ich meine Impathie nicht Empathie). Du lernst, deine Impathie zu stärken.
- Es fällt dir leichter, Probleme klar zu benennen und sie nicht als diffuses Schreckensgespenst wirken zu lassen. Damit stärkst du gleichzeitig deine Empathie, weil du bewusster wahrnimmst, was in Beziehungen abläuft.
- Es hilft dir, Stress abzubauen und damit mentalen Druck zu lösen. Es ist wie ein sicherer Ort, an dem du Spannungen benennen und Aufwühlendes oder Belastendes besser verarbeiten kannst. Das beruhig und hilft, den Kopf freizubekommen und bringt oft erste Erleichterung.
Wenn du gleich etwas für deine Psychohygiene tun willst: Hier findest du meine kostenlose Erste-Hilfe-Übung zum Durchatmen. Schon nach 5 Minuten spürst du Erleichterung.
Journaling fördert deine fachliche Kompetenz und Ausdrucksfähigkeit
Journaling ist auch ein professionelles Reflexions- und Entwicklungswerkzeug, das dich in deiner Beratungsarbeit unterstützt. Ich weiss noch, wie ich in meiner Beratungs-Ausbildung zur psychosozialen Beraterin und später zur Supervisorin viel schreiben, reflektieren und zusammenfassen musste. Offen gestanden, hatte ich davon mit der Zeit ziemlich genug. Nach jeder Lehranalyse ein Protokoll zu schreiben, war manchmal herausfordernd. Aber mit der Zeit habe ich gemerkt, wie wertvoll und hilfreich das war. Das erkennen auch meine Kundinnen und Kunden, wenn sie mir jeweils nach ihrer beratungskompetenzbezogenen Supervision ihre Reflexionen zusenden.
- Journaling ist ein ideales, vielseitiges Instrument, um deine Arbeit gezielt zu reflektieren. Du kannst Beratungsgespräche reflektieren und auswerten und deine Erkenntnisse für deine weiteren Gespräche nutzen. Es unterstützt dich in der Lehranalyse und bei der Supervision.
- Schriftliches Reflektieren hilft dir auf den Weg zur HFP, höhere Fachprüfung Beratung. Dadurch kannst du deine Kompetenz und Entwicklung sichtbar machen.
- Du stärkst damit deine Fähigkeit, Gedanken zu strukturieren und zu ordnen. Besonders, wenn du ein vielseitig interessierter Mensch, eine Scanner-Persönlichkeit bist, hast du 1000 Ideen. Schreiben hilft dir, zu fokussieren und dich nicht zu verlieren.
- Du lernst, komplexe Themen oder anspruchsvolle Inhalte auf den Punkt zu bringen. Mit der Zeit kannst du sie so verständlich und klar formulieren, dass andere sie gut nachvollziehen können. Es hilft dir, herausfordernde Themen deiner Kundinnen und Kunden zu erkennen, zu sortieren und methodisch zu verarbeiten.
- Durchs Schreiben kannst du neue Ideen und kreative Impulse für deine Arbeit sammeln.
- Journaling dient deiner eigenen Reflexion und Qualitätssicherung. Du kannst deine Lernfortschritte erkennen, in dem du bewusst festhältst, was dir gelungen ist und worüber du auf gesunde Art und Weise stolz bist. Was du dabei entdeckst, kannst du direkt nutzen, um deine Entwicklung sichtbar zu machen.
- Journaling ist ein Instrument, das dich befähigt, Empathie nicht nur zu fühlen, sondern auch in dein professionelles Handeln einzubinden. Es hilft dir, herauszufinden, warum etwas nicht wie gewünscht funktioniert und wieder Mut zu finden, wenn es nicht geklappt hat.
Journaling regt deine Kreativität an und hilft dir, Ideen zu entwickeln
Beratung lebt von Kreativität, Flexibilität und der Fähigkeit, neue Perspektiven einzunehmen. Diese Fähigkeit kannst du trainieren, denn Journaling ist ein kreativer Prozess, der uns dabei hilft. Schreiben dagegen hilft, Gedanken wie in einem Netz aufzufangen, damit das Wesentliche nicht verloren geht.
- Journaling ist ein schöpferischer, kreativer Akt und hilft, Ideen zu entwickeln und kreative Lösungen zu finden. Spontan entwickeln sich durchs Schreiben neue Ideen für die Arbeit und generell fürs Leben.
- Flüchtige Gedanken festzuhalten, gelingt durchs Aufschreiben. Denn sie sind oft sehr flüchtig, manchmal wie Seifenblasen – schillernd, schön, leuchtend, und wenn man sie einfach davonziehen lässt oder berührt, zerplatzen sie. Wenn du Gedankenblitze schriftlich festhältst, kannst du sie nutzen.
- Schreiben hilft dir, Umsetzungsideen zu konkretisieren. Indem du in deinen Notizen konkret wirst, kommst du schneller ins Umsetzen. Wenn du deine Ziele und das, was du vorhast, schriftlich festhältst, erhöhst du damit die Wahrscheinlichkeit, dass du dran bleibst und es Schritt für Schritt umsetzt. Du kannst Vorhaben, Projekte oder Konzepte schriftlich skizzieren und gezielt weiterentwickeln. Du bleibst an persönlichen Themen eher dran.
- Notizbücher sind eine wahre Fundgrube für eigene Projekte. Daraus kannst du Ideen für Blogartikel, Inhalte für Workshops, Referate und Projekte finden. Du erkennst, welche Themen dich wirklich bewegen und welche du weiterverfolgen möchtest.
Journaling gibt Raum für spirituelle und existenzielle Dimensionen
Beratung berührt auch existenzielle Fragen. Als Beratungsfachpersonen sind wir aufgefordert, uns über unsere Werte und unser Menschenbild bewusst zu sein. Denn all das beeinflusst unsere Arbeit und wie wir mit anderen Menschen unterwegs sind. Journaling hilft, diese oft flüchtigen Überlegungen bewusst zu machen.
- Über das Schreiben findest du Zugang zu deinen Selbstgesprächen, die ohnehin in deinem Kopf ablaufen. Journaling ist wie ein Gespräch mit deinem Inneren, das dir verständnisvoll zuhört.
- Beim Schreiben werden dir deine Werte und Sehnsüchte bewusster, weil sie immer wieder auftauchen. Du kannst deine tiefsten Sehnsüchte benennen, auch solche, die du vielleicht sonst mit niemandem teilen würdest. Es hilft dir, zu träumen und deine Sehnsüchte besser wahrzunehmen.
- Journaling hilft dir, schöne Erinnerungen und Momente festzuhalten, zu würdigen und dankbar zu sein. Dankbarkeitsmomente schriftlich festzuhalten hat eine positive Wirkung auf deine Zufriedenheit.
- Existenzielle Themen erhalten einen Platz. Journaling ermöglicht dir, Sinnfragen zu erkunden und Antworten zu suchen. Es kann auch eine wunderbare Form des Betens sein: Du teilst deine Gedanken und Gefühle wie in einem Dialog mit Gott, schreibst Zweifel und Klagen auf, formulierst Sehnsüchte und Hoffnungen und findest Trost.
- Wertekonflikte erkennen und klären: Durchs Schreiben erkennst du Wertekonflikte, die dich innerlich herumtreiben und beschäftigen. Du kannst sie benennen, um sie aufzulösen oder besser damit umzugehen.
Mein Fazit: Finde deine passende Form von Journaling
Du siehst – Journaling ist weit mehr als Tagebuchschreiben. Es ist ein vielseitiges Werkzeug für dein persönliches und professionelles Wachstum. Schreiben gehört für uns, Coachs und psychosoziale Beraterinnen und Berater, zu unserem Berufsalltag.
Egal, ob du schon lange schreibst oder gerade erst beginnst, Journaling ist ein wunderbarer Weg zu mehr Klarheit, innerer Stärke und professioneller Entwicklung. Finde heraus, welche Form dir am besten entspricht. Obwohl ich überzeugt bin, dass handschriftlich sehr wirkungsvoll ist, gibt es andere, die lieber digitale Notizen machen oder in Form von Sprachnotizen ihre Gedanken festhalten.
Ich hoffe, dass du Lust bekommen hast, es gleich auszuprobieren. Ich wünsche dir viel Spass dabei.
Hast du Fragen in Bezug auf Journaling oder beschäftigt dich etwas in deinem Leben, das du gezielt reflektieren möchtest? Ich unterstütze dich gerne dabei. Hol dir hier einen unverbindlichen Kennenlerncall.
Total schön. Ich liebe Journaling. Im Moment – suboptimal, aber so wie es zu mir passt – auf frei herumflatternden Zetteln, irgendwo in einem von neun Notizbüchern oder als Randnotiz in einer Ausarbeitung. Für ein geordnetes Herangehen ist der Augenblick viel zu flüchtig. Und dann entstehen da trotzdem so wunderbare Dinge wie die innere Versöhnung mit einem Menschen, von dem ich glaubte, dass das nie möglich wäre, ganz neue Sichtweisen und fünf neue Projektideen. Wie schön wird das erst werden, wenn ich es strukturiert und planvoll angehe. Das ist doch ein echtes Ziel.
Hallo Esther,
herzlichen Dank für deine Aufzählung – ich habe mich in sehr vielen dieser Punkte wiedergefunden. Nicht umsonst heißt es so schön: Wer schreibt, der bleibt.
Liebe Birgit
Sehr gerne und schön, dass du dich in vielen Punkten wiedergefunden hast. Hättest du noch einen ergänzenden Punkt gehabt?
Liebe Grüsse
Esther
Hallo Esther
Danke für Deinen Blog. Ich wunderte mich schon, warum ich so gerne Blogs über meine Arbeit/Leben schreibe. Durch Deinen Beitrag wurde mir klar, dass ich da nicht nur für andere, sondern auch für mich sortiere. Viele Grüße Andrea
Liebe Andrea
Danke für dein Feedback. Es freut mich, dass dir durch meinen Artikel etwas klar wurde. Ich wünsche dir weiterhin viel Spass beim Schreiben.
Liebe Grüsse
Esther
Liebe Esther,
eine tolle Aufzeichnung von den verschiedensten Gründen, ein Journal zu schreiben. Vielen Dank für diese Aufzählung!
Für mich ist Journaling sehr wichtig und hat mich in der Persönlichkeitsentwicklung massiv nach vorne gebracht.
Alles Gute
Claudia
Liebe Claudia,
vielen Dank für deinen Kommentar. Schön, dass dich Journaling weitergebracht hat. Auch für mich ist es etwas sehr Wichtiges.
Weiterhin viel Freude beim Schreiben wünscht dir
Esther