Wie gehst du mit dir selber um? Wertschätzend, einfühlsam, offen, neugierig, wohlwollend und interessiert? Oder bist du vor allem einfühlsam, wenn es um andere Menschen geht, aber dich selber verlierst du manchmal aus dem Blick oder behandelst dich sehr kritisch? Dann lohnt es sich, den Fokus auf die Impathie zu richten. Ja genau Impathie, nicht Empathie!
Was steckt hinter der Impathie? Warum ist sie so wichtig und wie kannst du sie fördern? Darum geht es in diesem Blogbeitrag.
Was ist Impathie?
Impathie ist die Fähigkeit, sich in sich selbst einzufühlen und einfühlsam und wertschätzend mit sich selber umzugehen! Hinter dieser Kompetenz steht die Frage, wie wir die Beziehung zu uns selbst gestalten. Während Empathie, die Fähigkeit beschreibt, sich in andere Menschen einzufühlen, richtet sich der Fokus bei Impathie auf unsere Beziehung zu uns selbst. Empathie mit sich selbst oder introversive Impathie könnte man diese Kompetenz auch nennen.
Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, was Impathie ist. Katja war schon den ganzen Morgen schlecht gelaunt und reagierte gereizt auf kleinste Bemerkungen ihres Partners.
Irgendwann realisierte sie es und fragte sich: «Was ist eigentlich los mit mir?» Impathisch schaute sie auf sich und stellte fest, dass ihre Reizbarkeit gar nichts mit der anderen Person zu tun hatte. Sie war gestresst, weil sie ein ungestilltes Bedürfnis hatte. Sie brauchte dringend einen Moment Zeit, um etwas in Ruhe zu erledigen. Als ihr das klar war, begann sich ihr Ärger aufzulösen. Statt ihren Frust weiterhin an einer anderen Person abzureagieren, begann sie jetzt Selbstmitgefühl für sich zu entwickeln und überlegte, wie sie ihr Bedürfnis erfüllen und gut für sich sorgen konnte. Sie war impathisch.
Dr. Stefanie Neubrand, Psychologin und Wissenschaftlerin, forscht seit über 10 Jahren in Basel und Zürich in diesem neuen Forschungsfeld. Sie hat das psychologische Konzept der Impathie entwickelt und zum Thema ihrer Dissertation gemacht. Sie meint:
Bei der Impathie geht es darum, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse mit einer annehmenden Haltung wahrzunehmen und zu verstehen, anstatt sie zu ignorieren oder zu unterdrücken.
5 Gründe, warum Impathie wichtig ist
1.: Sie stärkt Beziehungen
Impathie hilft uns, uns mit uns selbst und anderen zu verbinden. Als durch und durch soziale Wesen sind gute, tragfähige Beziehungen für uns extrem wichtig, denn sie machen uns glücklich. Genauso wichtig ist auch eine einfühlsame, wertschätzende, Beziehung zu uns selbst. Wie wir mit uns selber umgehen, prägt entscheidend unsere Beziehungen zu anderen. Dr. Stefanie Neubrand meint dazu:
Meine bisherigen empirischen Forschungsergebnisse verweisen darauf, dass Menschen mit höherer Impathie-Ausprägung auch höhere Empathie-Werte angeben.
2.: Impathie unterstützt unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden
Sie spielt eine wichtige Rolle für unsere psychische Gesundheit und gilt als Schlüssel zur Resilienz. Sie ist ein Schutzfaktor im Alltag: Ähnlich wie ein Sonnenschutz uns vor Verbrennungen schützt, schützt sie uns davor, dass wir uns selbst überfordern oder zu wenig abgrenzen. In schwierigen Zeiten hilft sie uns, besser mit Herausforderungen umzugehen, weil wir einen guten Zugang zu unseren Emotionen und Bedürfnissen haben.
3.: Durch Impathie gewinnen wir ein tieferes Verständnis für uns selbst
Viele Menschen haben Schwierigkeiten, mit sich selbst gut in Kontakt zu kommen. Sie sind von gewissen Gefühlen, Impulsen und Bedürfnissen, manchmal wie abgeschnitten. Es fällt ihnen schwer, diese bewusst wahrzunehmen.
Impathie befähigt uns, unsere eigenen Wünsche, Impulse und Emotionen zu spüren. Statt sie abzuwerten und zu ignorieren, können wir ihnen urteilsfrei begegnen. Das wiederum hilft uns, dass wir uns besser verstehen und unsere Persönlichkeit, sowohl Stärken als auch Schwächen leichter akzeptieren und integrieren können.
4.: Impathie hilft uns, unsere Bedürfnisse besser wahrzunehmen
Sie ist die Voraussetzung für Selbstmitgefühl und entscheidend wichtig für eine gute Selbstfürsorge. Damit wir gut für uns selber sorgen können, brauchen wir zuerst einen guten Zugang zu uns selbst. Eine Kundin meinte dazu: Ich habe gelernt, mutig auf mich zu hören und mich ernst zu nehmen. Erst wenn ich das mache, kann ich Entscheidungen treffen, die auch für mich gut sind“.
Wir stärken damit also auch unser Vertrauen in uns selbst und können nicht nur bessere Entscheidungen treffen, sondern auch authentischer leben. Wir sind dann im Einklang mit unseren Werten und entwickeln uns persönlich automatisch weiter.
5.: Impathie hat positive Auswirkungen auf unser Umfeld
Die Auswirkungen von Impathie beschränken sich nicht nur auf uns selbst. Wenn wir mit uns impathisch umgehen, ermutigen wir auch andere dazu, dasselbe zu tun. Dadurch schaffen wir ein inspirierendes Umfeld und tragen zu einer freundlicheren Welt bei – sei es im persönlichen oder beruflichen Umfeld.
Wie können wir Impathie fördern?
Impathie können wir lernen und diese Fähigkeit und Kompetenz gezielt weiterentwickeln. Folgende einfache Übung hilft dabei.
Schaffe dir ein kurzes tägliches Ritual der Achtsamkeit
Impathie beginnt damit, dass wir bewusst unsere eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Herausforderungen wahrnehmen und ein Verständnis dafür entwickeln. Nimm dir darum einen Moment Zeit und halte inne. Das kannst du irgendwann in deinen Alltag integrieren. Es beginnt mit einer Entscheidung, dieses kurze Ritual zu machen.
Sei bewusst im gegenwärtigen Moment, im Hier und Jetzt und lenke deine Wahrnehmung auf das, was du gerade erlebst. Dann frage dich:
- Wie geht es mir gerade?
- Was denke ich jetzt?
- Wie fühle ich mich in diesem Augenblick? Welche Emotionen sind besonders stark?
- Was spüre ich körperlich? Wie sitze oder stehe ich da. Wo ist viel oder wenig Anspannung?
- Welche Bedürfnisse und Wünsche tauchen auf?
Nimm alles neugierig und offen wahr, OHNE es zu bewerten. Bewahre dir dabei einen inneren Abstand zu dem, was du wahrnimmst. Wie, wenn du eine Freundin oder einen Freund wohlwollend und interessiert beobachten würdest.
Je öfter du dieses Ritual durchführst, desto einfacher wird es für dich, dich selbst zu öffnen und deine Gefühle und Bedürfnisse ernst zu nehmen, anstatt sie zu ignorieren oder zu unterdrücken.
Weitere Tipps, wie du deine Impathie stärken kannst, findest du hier!
Was passiert, wenn dir Impathie fehlt?
Wenn du zu wenig Impathie hast, fehlt dir der Kontakt zu deinen Bedürfnissen. Du übergehst dich selbst, gönnst dir zu wenig Pausen und erkennst deine Grenzen nicht klar. Dadurch fällt es dir schwer, bewusst Ja oder Nein zu sagen. Die Grenze zwischen dir und anderen verschwimmt, und du projizierst leichter deine eigenen Gefühle auf sie. Ohne Impathie leidet auch deine Empathie; denn um empathisch zu sein, brauchst du ein bestimmtes Mass an Selbstwahrnehmung. Mehr dazu kannst du hier lesen.
Weitere Informationen zum Thema Impathie
Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, die Fähigkeit der Impathie weiterzuentwickeln und zu fördern. Nebst all den Gründen, die ich vorhin benannt habe, erhöht Impathie unsere Zufriedenheit und hilft uns in einer gesunden Balance zwischen Impathie und Empathie zu leben.
Willst du das Thema vertiefen?
- Impathie, mit diesen 5 Tipps kannst du sie stärken
- Vor- und Nachteile von Persönlichkeitsentwicklung
- Persönlichkeitsentwicklung: Glossar
- Impathie-Artikel von Dr. Stefanie Neubrand
Woran erkennst du bei dir, dass du impathisch mit dir bist?
Teile es gerne im Kommentar. Ich bin gespannt auf deine Antwort.
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Liebe Esther,
sehr cool, wieder was gelernt, denn den Begriff Impathie habe ich bis heute noch nie gehört.
Würdest Du sagen, dass Impathie die Voraussetzung für Selbstfürsorge ist?
Liebe Grüße
Aimée
Liebe Aimée,
bis vor kurzem war mir der Begriff auch unbekannt.
Ja genau, Impathie ist die Voraussetzung für Selbstfürsorge. Erst wenn wir uns bewusst wahrnehmen, realisieren wir, was wir wirklich brauchen und wie wir gut für uns sorgen können.
Liebe Grüsse
Esther
Den Begriff Impathie hatte ich vorher nie gehört! Dabei ist das so wichtig. Vielen lieben Dank für diesen tollen Artikel.
Liebe Claudia
So erging es mir auch bis vor kurzem und seither begegnet mir der Begriff ständig. Es freut mich, dass dir der Artikel gefallen hat.
Liebe Grüsse
Esther
Liebe Esther,
genialer Artikel. Herzlichst danke! Auch ich kannte dieses Wort noch nicht. Ab heute weiss ich, wie ich die Ressource benennen kann, die ich versuche mit meinen Klienten zu trainieren.Genial! Gerade Personen mit einer traumatischen Erfahrung tun sich schwer mit der eigenen Achtsamkeit. Doch es gelingt.
Liebe Dorothea
Vielen Dank für deine Rückmeldung. Sie freut mich sehr und zeigt mir einmal mehr, wie wichtig dieses Thema ist. Besonders für Menschen mit einem Trauma-Hintergrund liegt in der Fähigkeit der Impathie eine riesige Ressource.
Schön, dass du Menschen auf diesem Weg begleitest. Ich wünsche dir dazu weiterhin viel Freude.
Liebe Grüsse
Esther
Endlich lerne ich das Wort kennen, für etwas, dass ich zwar wahrgenommen, aber nie benennen konnte. Dein Praxisbeispiel hat mir sofort ganz praktisch erklärt, was Impathie ist und wie ich damit umgehen kann.
Ich hoffe, noch mehr zu dem Thema bei dir zu lesen! Vielen Dank:-)
Liebe Tina, danke für deine Rückmeldung. Es freut mich sehr, dass es dir geholfen hat zu benennen, was du schon wahrgenommen hast und es dir einen Impuls gegeben hat, wie du damit umgehen kannst.
Zu welchem Aspekt dieses Themas würdest du gerne mehr lesen?